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Arabischkurse bei Juden in Israel immer beliebter

Immer mehr jüdische Israelis interessieren sich für Arabischkurse. Das Angebot ist vielfältig. Die Teilnehmer kommen aus dem linken und rechten politischen Spektrum.
Im Programm „Madrasa“ erhalten die Schüler den arabischen Begriff, die hebräische Umschrift und die Übersetzung

JERUSALEM (inn) – Arabisch hat in Israel einen Sonderstatus, rund 20 Prozent der Israelis sprechen es als Muttersprache. Dennoch können sich viele Juden nicht auf Arabisch verständigen. Das liegt auch am eher theoretischen Schulunterricht. Doch das Interesse am gesprochenen Arabisch wächst unter jüdischen Israelis.

So verzeichnet etwa das kostenlose Online-Angebot „Madrasa“ 80.000 registrierte Nutzer. Der arabische Name des Programms bedeutet „Schule“. Hier lernen Israelis in hebräischer Lautschrift den in ihrer Region üblichen arabischen Dialekt. Kurze Videos enthalten Dialoge und Erklärungen zur Grammatik. Pro Monat nutzen mindestens 250.000 Menschen die Materialien, sagt „Madrasa“-Gründer Gilad Sevitt dem Magazin „The Jerusalem Report“.

Warum er das Programm angeregt hat, erklärt er so: „Nach sechs Jahren Arabisch in der Schule und drei Jahren in der Armee mit einer Aufgabe, die eine Anwendung der Sprache nach sich zog, konnte ich letztlich mit niemandem sprechen. Ich entschied, meine Arabischkenntnisse als Mittel zur Kommunikation zu teilen.“

Hocharabisch und Dialekte

Frustrierend sei es für Schüler, dass Arabisch viele Ausprägungen habe: Das klassische Arabisch findet sich im Koran. Modernes Standardarabisch wird in Zeitungen und im Rundfunk verwendet. Hinzu kommen gesprochene Dialekte, die sich mitunter stark voneinander unterscheiden. Dazu gehören palästinensische, libanesische, jordanische, ägyptische, irakische oder auch marokkanische Mundarten.

„Während die meisten arabischen Muttersprachler jemanden verstehen, der modernes Standardarabisch spricht, kann es dennoch sein, dass sie über ihn lachen“, ergänzt Sevitt. „Es ist ein wenig, als würde man biblisches Hebräisch verwenden, um Falafel zu bestellen.“ In israelischen Schulen werde, wenn überhaupt, nur Hocharabisch unterrichtet. Die Schüler könnten anschließend das Alphabet, aber sie seien nicht in der Lage, ein Gespräch zu führen. Der Mangel an Kommunikation intensiviere die Trennung zwischen Juden und Arabern.

Dabei sei Arabisch Teil der jüdischen Tradition, betont Sevitt. „Fast die Hälfte der Juden in Israel hat ihren Ursprung in Ländern, wo Arabisch gesprochen wird. Viele unserer religiösen Texte sind auf Arabisch geschrieben.“ Der bedeutende jüdische Religionsphilosoph Mosche Ben Maimon etwa, der im Mittelalter wirkte, verfasste seine Texte auf Arabisch. Die Werke des auch als Maimonides bekannten Gelehrten sind bis heute für Juden relevant.

Buch mit arabischen Redensarten

Auch der amerikanische Israeli Robby Berman hält es für wichtig, dass Juden Arabisch lernen. Er hat gerade ein englisches Buch mit über 2.000 Redensarten herausgegeben: „Min Taq Taq: Eine Sammlung arabischer Redensarten im palästinensischen Dialekt“. Der arabische Teil des Titels bezieht sich selbst auf ein Idiom. „Min taq taq lisalamu aleikum” heißt „Vom Klopfen an der Tür bis zum Abschiedsgruß“. Es bedeutet: alle Einzelheiten vom Anfang bis zum Ende.

„Ich habe mein Buch so genannt, weil ich versuchte habe, alle Redensarten aufzunehmen, die finden konnte, und sie so gut ich konnte zu erklären“, erläutert Berman seine Entscheidung. Idiome seien einer der besten Wege, um eine Sprache zu lernen. „Wie die meisten Schöpfer habe ich etwas erfunden, was ich für mich selbst wollte.“ Am 21. Januar präsentierte er das Buch in seinem Haus in Jerusalem und übertrug dies live auf Facebook.

Berman meint, das Arabischstudium habe ihn politisch weiter nach links rücken lassen: „Ich finde, je weiter man bei Arabisch kommt, desto linksgerichteter wird man. Je mehr man die Sprache spricht und mit Arabern sprechen kann, desto mehr merkt man, dass die Lage nicht schwarz-weiß ist.“

Judentum auf Arabisch erklären

Doch Rabbi Elhanan Miller hat nach eigener Aussage schon Unterricht in der Siedlung Tekoa gegeben: „Es waren die ernsthaftesten Schüler, die ich je hatte.“ Der Rabbiner erklärt seit 2017 in Videos das Judentum auf Arabisch. Viele Araber und Muslime seien neugierig auf das Judentum. Sie hätten aber niemanden, den sie fragen können, da kaum noch Juden in der arabischen Welt lebten.

„Die Brutstätte für Hass, Extremismus und Gewalt ist die Unwissenheit gegenüber dem anderen“, sagt Rabbi Miller. „Religion ist ein starkes Mittel zur Vermenschlichung, vor allem im Nahen Osten, wo viele Menschen traditionell sind.“ Er nimmt ein großes Interesse an Arabisch vor allem unter jüngeren Israelis wahr. Diese stellten plötzlich fest, dass die Sprache sowohl in den Nachbarländern als auch in einem Teil der israelischen Bevölkerung gesprochen werde.

„Rechte Hardlinerin“ will sich mit Nachbarn verständigen

Eine weitere Möglichkeit für Arabischunterricht bietet das Interkulturelle Zentrum in Jerusalem. Derzeit finden die Kurse online statt. Der Leiter Hagai Agmon Snir sieht einen Wandel in der Gesellschaft: „Vor vielen Jahren nahmen wir an, dass die meisten Leute, die hier studieren, von der Linken sind. Jetzt haben wir ebenso viele Leute von der Rechten und haben sogar ein paar Siedler, die bei uns lernen.“ Manchmal gebe es politische Diskussionen. Das sei ihm recht, solange sie auf Arabisch geführt würden.

Eine Schülerin des Interkulturellen Zentrums ist Noam Katzover. Sie lebt „aus ideologischen Gründen“ im mehrheitlich von Arabern bewohnten Ostjerusalemer Stadtteil Silwan, den sie Stadt Davids nennt. „Ich denke, in Ostjerusalem muss es eine jüdische Präsenz geben“, begründet sie ihren Wohnort. „Dies ist der älteste Ort des Staates Israel. König David gründete von hier aus das Königreich Juda.“

Katzover sieht sich selbst als „rechte Hardlinerin“. Doch wolle sie mit ihren Nachbarn in Frieden leben. Drei Jahre lang lief sie einmal in der Woche zum Zentrum, um dort drei Stunden Arabischunterricht zu unterhalten. Nun setzt sie den Kurs im Internet fort. „Ich lebe in einem gemischten Viertel von Arabern und Juden. Um gute nachbarliche Beziehungen zu haben, muss man die Sprache können“, sagt sie.

Arabisch sei schwer und eine Herausforderung. Aber die Nachbarn schätzten ihre Bemühungen, fügt sie hinzu. „Sie lachen über meine Fehler. Allgemein ist es hier sehr ruhig. Es gibt viele Menschen, die sehr gute Beziehungen mit ihren arabischen Nachbarn haben.“

Vorbereitung auf Reisen in arabische Länder

Dass die Zahl der Teilnehmer an Arabischkursen zunimmt, hat auch etwas mit den aktuellen politischen Entwicklungen zu tun: Manche Israelis wollen die neugewonnenen Möglichkeiten nutzen und Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Marokko besuchen. Oder sie haben vor, Gäste aus diesen Ländern zu beherbergen, mit denen Israel erst in den vergangenen Monaten Normalisierungsabkommen unterzeichnet hat.

Von: eh

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