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Begräbnis mit Folgen

Die Beisetzung eines Terroristen in einer israelisch-arabischen Stadt gerät zu einer „Märtyerer“-Feier. Die Polizei muss sich Kritik gefallen lassen. Der Fall zeigt auch das Dilemma der Araber Israels auf.
Hunderte Araber huldigten in Umm el-Fahm einem Terroristen

JERUSALEM (inn) – Das Begräbnis von Achmad Machmid aus der arabisch-israelischen Stadt Umm el-Fahm hat politische Folgen. Anstelle einer stillen kleinen Bestattung im Familienkreis mit maximal 50 Teilnehmern mitten in der Nacht waren Hunderte zu einer politischen Demonstration erschienen. Sie schwenkten palästinensische Flaggen und riefen „Mit unserem Blut werden wir Dich befreien, Palästina“. Nun steht nicht nur die Polizei in der Kritik, weil sie das Begräbnis zugelassen hat; der Fall wirft auch Fragen zum Zusammenleben von Juden und Arabern auf.

Machmid hatte am vergangenen Freitag den Jerusalemer Tempelberg besucht, obgleich er nach Angaben seiner Familie „nie gebetet“ hat und nicht fromm ist. Als er die Stätte verließ, sah er israelische Wachposten. Eine Sicherheitskamera hielt fest, wie er plötzlich ein Messer zückte und auf einen israelischen Polizisten losging, der an einem Gitter stehend mit seinem Handy spielte. Mit dem erhobenen Messer wollte er ihn erstechen. Der Polizist stürzte zu Boden, während andere Polizisten den Angreifer augenblicklich erschossen. Das ist in dem Film, den die Polizei ins Internet stellte, allerdings nicht mehr zu sehen.

Die Familie von Machmid sprach von einem „kaltblütigen Mord“. Der 31-jährige, angeblich geistesgestörte Mann hätte auch ohne tödliche Schüsse überwältigt und verhaftet werden können, sagte sie.

Erdan fordert Untersuchung

Infolge des erneuten Terroranschlags an einem Tor zum Tempelberg war Machmid unter Palästinensern zum „Märtyrer“ und zur Ikone des „legitimen Widerstandes“ gegen die israelische Besatzung aufgestiegen. Die Polizei hielt deshalb die Leiche zunächst zurück und machte seiner Familie Auflagen für das Begräbnis. Die Eltern mussten eine Kaution von umgerechnet mehr als 10.000 Euro hinterlegen und sich zu einem „stillen Begräbnis“ mit maximal 50 Teilnehmern verpflichten.

Doch bekanntlich kam es anders. Die israelische Polizei geriet dann auch in die Kritik, weil sie die Massenkundgebung nicht verhindert hat, zumal sie der Absprache mit der Familie zuwiderlief. Doch ein Polizeisprecher verteidigte die Zurückhaltung. Denn ein gewaltsames Eingreifen der Polizei hätte nur zu „unverantwortlichem Blutvergießen“ geführt und die Spannungen erhöht.

Doch der zuständige Sicherheitsminister Gilad Erdan sieht das anders. Er sprach von einem „Polizeifehler“. „Ich erwarte eine interne Untersuchung des Entscheidungsprozesses“, sagte er laut der Onlinezeitung „Times of Israel“. „Aus meiner Sicht hätte die Polizei die Leiche erst freigeben dürfen, wenn sie sicherstellen konnte, dass die vereinbarten Bedingungen eingehalten werden.“ Zugleich betonte er: „Die Schande liegt zuallererst auf den Einwohnern von Umm el-Fahm, die immer wieder Massenbegräbnisse veranstalten, in denen bösartige Terroristen verehrt werden.“

Grenzverschiebung vorgeschlagen

Die Stadt Umm el-Fahm (wörtlich: „Mutter der Köhler“) mit etwas mehr als 53.000 Einwohnern liegt in Israel, aber hart an der Grenze zum Westjordanland. Alle Bewohner sind Araber und israelische Staatsbürger. Die Deutsche Presse-Agentur hatte am Freitag gemeldet, dass der gescheiterte Attentäter ein „Palästinenser“ gewesen sei. Doch das ist eine übliche Pauschalisierung, denn Machmid besaß als Staatsbürger nur einen israelischen Ausweis mit „Araber“ als Kennzeichnung der ethnischen Zugehörigkeit. Palästinenser sind Bewohner der Autonomiegebiete und verfügen dort über entsprechende palästinensische Ausweispapiere.

Foto: Israelnetz

Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman erinnerte angesichts der geschwenkten palästinensischen Flaggen während des Begräbnisses mitten in der israelischen Ortschaft an seinen Vorschlag während des letzten Wahlkampfes: Ohne einen einzigen Bewohner von Umm el-Fahm aus seinem Haus zu vertreiben, sollte lediglich die Grenze neu gezogen werden. So könnte die Stadt in die palästinensischen Autonomiegebiete „verlegt“ werden. Zynisch fügte Lieberman hinzu, dass die Bewohner dort ihre Redefreiheit, die sozialen Zuwendungen und ihren Wohlstand „ausleben“ könnten, was ihnen Israel angeblich nicht zugestehe.

Als Lieberman diesen Vorschlag erstmals machte, verursachte er unter den israelischen Arabern eine gewisse Unruhe. Die Situation ist vergleichbar mit der des geteilten Deutschland: Damals wollte niemand ernsthaft von der Bundesrepublik in das damalige „sozialistische Paradies“ der DDR ziehen. Einige Araber äußerten aus dem Anlass „Loyalitätsbekundungen“ für den Staat Israel. Rechtsexperten kritisierten Lieberman, weil der Staat Israel aus gesetzlichen Gründen nicht einfach seine Grenzen ändern und einen Teil seiner Bevölkerung in eine fremde Souveränität verschieben könne.

Eine Frage des Vertrauens

Die Araber Israels befinden sich in einem Dilemma. Einerseits huldigen sie dem palästinensischen Nationalismus und befürworten dann auch mal Terror – selbst wenn es ihre eigenen Volksgenossen trifft. So haben zwei israelische Araber, ebenfalls aus Umm el-Fahm, am 14. Juli 2017 zwei arabisch-drusische Polizisten erschossen, die ebenfalls an einem Tor zum Tempelberg Wache hielten.

Zum anderen will niemand auf die Vorzüge des Lebens in Israel verzichten, wo die Araber, trotz der vermeintlichen Diskriminierung, mehr Freiheit und Selbstverwirklichung genießen als in jedem arabischen Staat oder gar in den palästinensischen Autonomiegebieten. In Israel gibt es immerhin eine arabisches Parteienbündnis (die „Vereinigte Liste“) mit dreizehn Abgeordneten und weitere Araber in anderen Parteien.

Für jüdische Israelis stellt sich die Frage, ob sie ihren arabischen Mitbürgern noch vertrauen können, wenn nun schon wieder ein junger Araber aus Umm el-Fahm Attentate auf Polizisten in Jerusalem verübt hat.

Von: Ulrich W. Sahm

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