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Ein Umzug gefährdet den Weltfrieden

Der zukünftige US-Präsident Donald Trump will die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. Die Palästinenser sprechen von einer „Kriegserklärung“. Eine Analyse von Ulrich W. Sahm
Könnte vor einem Umzug stehen: Die US-Botschaft in Tel Aviv

Der designierte US-Präsidenten Donald Trump beabsichtigt, die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Die Palästinensische Autonomiebehörde trommelt ihre Truppen zusammen. Der Religionsminister von Präsident Mahmud Abbas, Muhammad al-Abasch, bezeichnete die Absicht Trumps als „Kriegserklärung gegen die Palästinenser“.

In Moscheen im Westjordanland zwischen Dschenin und Hebron wurde Kritik verlesen: Das sei eine offene Attacke gegen den Islam, vernichte jede Chance auf einen Friedensprozess und sei ein Angriff auf „die Religion, die Kultur und die Geschichte“. Präsident Abbas wertete die Absicht als „Aggression“, als ein „Überschreiten aller roten Linien“, eine Krise für die ganze Region und den Weltfrieden. Der scheidende US-Außenminister John Kerry stimmte in den Chor ein. Er warnte beim Sender „CBS“ vor einer „absoluten Explosion, nicht nur im Westjordanland, sondern auch in Israel und in der ganzen Region“.

Abbas wehrt sich verbal gegen einen Umzug der Botschaft Foto: UN Photo/Cia Pak
Abbas wehrt sich verbal gegen einen Umzug der Botschaft

Jerusalem als „Corpus separatum“

Nach der Gründung Israels 1948 und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen haben sich fast alle Staaten geweigert, Westjerusalem als die Hauptstadt Israels anzuerkennen, obgleich dort der Präsidentensitz, das Amt des Premierministers und die meisten Ministerien eingerichtet worden sind. Ostjerusalem mitsamt Altstadt und den heiligen Stätten ist 1949 von Jordanien erobert und annektiert worden. Das wurde nur von Pakistan anerkannt, war also „völkerrechtswidrig“, wie man heute sagen würde.

Die Weigerung, Westjerusalem als Teil Israels anzuerkennen, wurde begründet mit der „Empfehlung“ der UNO-Generalversammlung vom 9. November 1947. Darin heißt es, im britischen Mandatsgebiet Palästina einen jüdischen und einen arabischen Staat entstehen zu lassen, aber Jerusalem mitsamt christlichen Ortschaften wie Bethlehem als „Corpus separatum“ auszuklammern und unter die Verwaltung des UNO-Sicherheitsrates zu stellen. Die UNO-Resolution wurde von den arabischen Staaten abgelehnt, weil das die Akzeptanz des jüdischen Staates bedeutet hätte.

Der Status Jerusalems hatte kreative diplomatische Schritte zur Folge. Westjerusalem wurde „de facto“ als Teil Israels anerkannt, aber nicht „de jure“. Nur so konnten die Botschafter ihre Beglaubigungsschreiben dem Staatspräsidenten in Jerusalem überreichen und Gespräche mit der Regierung führen, ohne Israels Anspruch auf Jerusalem anzuerkennen. In Ost- und Westjerusalem unterhielten die USA, Spanien, Frankreich und die Türkei Konsulate mit zwei Filialen, eine für Araber und eine für Juden. Diese Konsulate waren jedoch nicht beim Staat Israel akkreditiert, sondern bei dem nie implementierten „Corpus separatum“. Gleichwohl benötigten diese Konsulate offizielle Kontakte, um sich CC-Nummernschilder für die Autos – die Nummern für Konsularmitarbeiter – und zollfreien Whiskey zu besorgen. Mit dem Staat Israel konnten oder wollten sie nichts zu tun haben. Deshalb hat das Außenministerium einen Diplomaten an die Jerusalemer Stadtverwaltung „ausgeliehen“, der dort die Konsularbeamten empfängt.

Die EU eröffnete öffentliche Gebäude nur für Palästinenser in Ostjerusalem Foto: Christ Yunker, flickr
Die EU eröffnete öffentliche Gebäude nur für Palästinenser in Ostjerusalem

Türkei schließt Konsulat

Noch komplizierter wurde die Lage 1967, als Israel Ostjerusalem eroberte, die Stadtgrenzen erweiterte und das ganze Gebiet annektierte. 1980 wurde es per Parlamentsbeschluss zur „vereinigten und ewigen Hauptstadt“ erklärt. Aus Protest schloss die Türkei ihr Konsulat, obgleich das doch gemäß diplomatischen Gepflogenheiten eigentlich die Nicht-Anerkennung Israels symbolisierte.

Wie in Berlin trennte eine Mauer zwischen Ost und West. Sie diente nicht der Verhinderung der „Republikflucht“, sondern dem Schutz gegen Schüsse jordanischer Scharfschützen. In die Schneise, wo bis 1967 die Mauer verlief, wurden Straßenbahnschienen verlegt und eine Autobahn gebaut.

Ostjerusalem war fortan „Corpus separatum“, „illegal besetzt“ und seit Einrichtung der Autonomiebehörde 1994 zusätzlich von den Palästinensern beanspruchte „künftige Hauptstadt“. Die EU fördert die palästinensischen Bestrebungen im Widerspruch zum Prinzip, wonach ganz Jerusalem weder zum jüdischen noch zu dem bis heute nicht ausgerufenen arabischen Staat – das künftige „Palästina“ – gehören sollte. Ohne sich Genehmigungen von Israel einzuholen, dem tatsächlichen Verwalter Jerusalems, errichtet die EU öffentliche Gebäude nur für Palästinenser in Ostjerusalem.

Indem die Palästinenser jetzt wegen der geplanten Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Westjerusalem dem neuen amerikanischen Präsidenten den „Krieg erklären“, bekunden sie Ansprüche, auch auf den seit 1948 zu Israel gehörenden Westteil der Stadt. Das gibt dem Nahostkonflikt eine neue Wende. Da könnte nicht einmal die vermeintlich alternativlose „Zweistaatenlösung“ abhelfen.

Von: Ulrich W. Sahm

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