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Hintergrund: Das Tal-Gesetz für Talmudschüler – Ein Meilenstein im Kulturkampf Israels

Während sich die Weltöffentlichkeit auf den Militärschlag Israels gegen Hamasführer Selah Shehadeh in Gaza konzentriert, bewegt die israelische Öffentlichkeit ein ganz anderes Thema. Nach mehr als einem halben Jahrhundert wurde Gesetz, was seit den Tagen David Ben Gurions Brauch ist: Studenten der ultra-orthodoxen Talmudschulen, der sogenannten „Yeshivot“, müssen keinen Militärdienst leisten. Gleichzeitig lehnte Israels Parlament einen Vorschlag ab, Yeshiva-Studenten zwei Wochen pro Jahr zum Dienst in der Zivilgarde heranzuziehen.

Der Abstimmung am Dienstagabend, in der sich 51 gegen 41 Knessetabgeordnete bei fünf Enthaltungen für das sogenannte „Tal-Gesetz“ aussprachen, war eine jahrelange, hitzige Debatte in Politik und Gesellschaft vorausgegangen. Ob Yeshiva-Schüler Militärdienst leisten müssen, gehört zu den am heißesten diskutierten Themen in der israelischen Gesellschaft.

Seit Jahren ist von einem „Kulturkampf“ die Rede. Am 17. Juli hatten sich noch in einer Umfrage, die im Auftrag von Radio Kol Israel durchgeführt wurde, fast 65 Prozent der befragten Israelis für eine Militärpflicht der Ultra-Orthodoxen ausgesprochen. Ende 2001 waren es noch 76 Prozent gewesen, unter den Ultra-Orthodoxen 15 Prozent.

Schon vor der Gründung des Staates Israel hatte der Generalstabschef der Hagana, Israel Galili, am 9. März 1948, einen Tagesbefehl erlassen, der Yeshiva-Schüler vom Militärdienst befreite. Im Januar 1951 bestätigte David Ben Gurion den Erlass in einem Brief. Drei Jahre später gelang es Verteidigungsminister Pinchas Lavon nicht, eine Einberufung der Talmudstudenten durchzusetzen.

Anfang Dezember 1998 verpflichtete der Oberste Gerichtshof Israels die Knesset zu einer gesetzlichen Regelung der Militärpflicht für Talmudschüler. Acht Monate später setzte Regierungschef Ehud Barak ein Komitee unter Vorsitz des Richters Zvi Tal ein, das eine Empfehlung ausarbeiten sollte.

Im April 2000 stellte dann das „Tal-Komitee“ fest, daß die Einberufung der Yeshiva-Schüler eine gesellschaftliche und keine militärische Frage sei. Gleichzeitig stellte der Ausschuß einen Gesetzesentwurf vor, der im Juli desselben Jahres von der Knesset in erster Lesung verabschiedet, in der Folgezeit als „Choq Tal“ (Tal-Gesetz) bekannt und jetzt nach zweijähriger Überarbeitung in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wurde.

Der Hauptunterschied zwischen dem neuen „Tal-Gesetz“ und dem ursprünglichen Vorschlag des „Tal-Komitees“ ist, daß die Ultra-Orthodoxen ein Jahr Zeit haben, bevor sie sich im Alter von 22 Jahren entscheiden müssen, ob sie mit ihren Tora-Studien fortfahren oder für eine verkürzte Dienstzeit in der Armee oder einen Zivildienst antreten, bevor sie ins Berufsleben eintreten.

Ungewöhnlich ist, daß das Gesetz im Februar 2003 für einen Zeitraum von nur fünf Jahren in Kraft treten wird. So ist ein Aufflammen der Diskussion in viereinhalb Jahren vorprogrammiert, bevor die Knesset über eine Erneuerung dieses Gesetzes abstimmen muß.

Die Abstimmung warf sämtliche Fraktions- und Parteienbündnisse in der Knesset über den Haufen. Likud, Nationale Union, die ultra-orthodoxen Parteien, Gesher, Meimad, die arabische Chadash-Partei und mindestens ein Mitglied der National-Religiösen Partei (NRP) stimmten für das Gesetz. Die Arbeitspartei, Meretz, Shinui, die Zentrumspartei, die arabische Ra´am, Israel Ba´Aliyah und die Demokratische Wahl stimmten dagegen. Drei NRP-Mitglieder, deren Opposition gegen das Gesetz bekannt ist, zogen es vor, das Plenum zu verlassen.

Premierminister Ariel Sharon hatte sich zu Zeiten seines Vorgängers Ehud Barak noch vehement gegen die Gesetzesvorlage ausgesprochen. Einen Tag vor der Abstimmung hatte er seine Fraktion noch „hinter verschlossenen Türen“ wissen lassen, er fühle sich im Blick auf das Gesetz nicht wohl. „Entscheidend ist“, so der Premier, „daß wir unseren Beziehungen mit der ultra-orthodoxen Gemeinschaft, die unsere Verbündeten sind, nicht schaden“. Direkt vor der Abstimmung erklärte der Regierungschef den Parlamentariern: „Mit schwerem Herzen werde ich dafür stimmen!“

Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer, der gleichzeitig Vorsitzender der Arbeitspartei ist, meinte, wer für das Gesetz gestimmt habe, „hat den Kontakt mit der Gesellschaft verloren“.

Die linke Meretz-Partei und die militant-säkulare Schinui-Partei haben angekündigt, beim Obersten Gerichtshof Israels eine Petition gegen das neue Gesetz einzureichen. Sie sehen einen grundlegenden Widerspruch zu der im Grundgesetz Israels verankerten Würde und Freiheit des Menschen.

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